Ev. Kirche Freiberg a.N.

12.04.2020 - Predigt zu Ostersonntag 2020

Predigttext für Ostern:

19 Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendsten unter allen Menschen. 20 Nun aber ist Christus auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden (1.Kor 15)

 „Hoffentlich erkennt sie mich überhaupt noch“ – denkt der Sohn, der heute gerne seine Mutter im Heim besucht hätte. Bei jedem Telefonieren mit ihr merkt er, wie sie mehr und mehr abbaut. Als er heute für sie ihre Lieblingspralinen an der Eingangstüre abgibt, sitzt sie oben am Fenster. Als sie ihn sieht und ihm fröhlich zuwinkt, fällt ihm ein kleiner Stein vom Herzen.

So lange hatten wir noch Hoffnung“ – denkt die Witwe, die heute zum Grab geht. Letztes Jahr hatten sie noch gemeinsam Ostern gefeiert. Die Erinnerung daran tut noch immer weh, aber es tröstet auch.

Wenigstens ein Funke Hoffnung“ – sagt sich die Leiterin des Altenpflegeheims auf der Schwäbischen Alb. Sie hat schlaflose Nächte seit klar ist, dass eine Bewohnerin durch das Virus gestorben ist. Bis das Testergebnis vergangene Woche kam, dass noch alle im Heim virusfrei sind. Ein Funke Hoffnung jetzt über die Ostertage.

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendsten unter allen Menschen“ – schreibt Paulus

Hoffnung ist eine Lebenskraft, die hilft, in schweren Zeiten durchzuhalten. Sie ist etwas zum Festhalten, wenn vieles wegbricht, was mir im Leben Halt gibt. Wir sehen in diesen Tagen viele Hoffnungszeichen: die Zahl der Schwerstinfizierten ist bei uns im Vergleich zu anderen Ländern gering, unsere Kliniken sind gut vorbereitet, es gibt so viel Solidarität und Mitgefühl und Menschen, die einander Hoffnung geben.

Aber manchmal wird sie auch ganz klein und leer, wenn dann doch die Nachrichten keine Wende in Aussicht stellen, wenn das Ziel unserer Hoffnungen in die Ferne rückt, wenn Menschen sterben.

Nun aber – erinnert uns Paulus: Ihr aber - braucht nicht mutlos werden. Ihr dürft zuversichtlich sein.

Ihr habt guten Grund, zu hoffen und Euren guten Erwartungen zu trauen. Vergesst nicht: Der Grund dafür liegt in dem, was wir heute an Ostern feiern, in der Auferstehung Jesu Christi. Für Paulus ist sicher: Gott hat ihn auferweckt und an ihm sichtbar gemacht, was für alle anderen auch gilt: Dass es keinen Ort gibt, an dem wir unsere Hoffnungen begraben müssen.

Dieses Wunder von Jesu Auferweckung ist für Paulus der sichere Grund, dass er es wagen kann über eine hoffnungsvolle Zukunft zu reden - und das nicht in unbestimmter Ahnung, sondern mit Gewissheit.   

Aber was heißt das für uns und unsere Hoffnungen am heutigen Osterfest?

In diesen Tagen erleben wir, wie machtlos wir dem Virus gegenüber sind, wie groß die Angst vor Ansteckung und vor der Machtlosigkeit der Ärzte ist. Der Osterglaube setzt dieser Angst  entgegen: Auch dort, wo die Macht von Medizinerinnen und Virologen endet, um das Leben von Menschen zu erhalten und zu bewahren, endet noch nicht die Macht Gottes. Er kann und will Leben erhalten und bewahren gegen alle Mächte des Todes.

Wer darauf vertrauen kann, ist auch dann nicht ohne Hoffnung, wenn der Tod in unser Leben eingreift und Menschen sterben. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werdenist Paulus überzeugt. Gott erhält Leben und schafft neues, unvergängliches über den Tod hinaus. Deshalb können diejenigen, die heute um ihre Verstorbenen trauern anders trauern als die, die diese Hoffnung nicht haben. Das nimmt nicht den Schmerz der Trauer, aber es gibt ihr dennoch eine andere Perspektive und eine gewisse Zuversicht.

Ja, unser Leben ist verletzlich geworden. Uns allen ist bewusst geworden, dass wir nicht so stark, so gesund, so sicher sind wie wir immer dachten. Viele sehnen sich jetzt viel stärker wieder nach einem Behütet- und Getragensein, nach dieser „großen segnenden Kraft in unserer Welt, die Gott heißt“ (M.L.King). Gott liebt das Leben und er liebt uns Menschen; dafür öffnet uns doch gerade Ostern wieder neu die Augen. Und ist es nicht gerade in diesen Wochen ein großes Geschenk, wie um uns herum in der Natur diese große segnende und schöpferische Kraft, aus der wir alle leben dürfen, so spürbar und sichtbar ist?

Dieses Vertrauen in den lebendigen Gott, der stärker ist als das, was uns Angst macht, lässt mich weiter beten - auch dann, wenn ich die Nachrichten sehe und den Eindruck habe, der Schrecken nimmt kein Ende. Es ist dieses trotzige Dennoch, das uns der Osterglaube schenken will.

Und dieser Glaube, der uns viel mehr erwarten lässt als wir hier sehen und erfahren, lässt mich heute statt den schlechten Prognosen - wie einer steigenden Scheidungsrate - viel mehr den guten Erwartungen trauen. Also solchen, die damit rechnen, dass bis zum Ende des Jahres viele Kinder geboren werden. Gehört nicht auch das zu den hoffnungsvollen Wundern in diesen Wochen: Dass dieses Virus gerade ihnen, den Kleinsten in unserer Welt offensichtlich nichts anhaben kann? Sie bleiben auf wundersame und medizinisch nicht erklärbare Weise unbeschadet.

Das zeigt uns doch: Wir gehen in eine Zukunft mit und irgendwann ohne Corona - aber ganz gewiss mit einem Gott, der immer neues Leben will und schaffen wird. Für diese Zukunft, in der sie von uns viele Erblasten mitbekommen werden, können wir unseren Kindern nichts Besseres mitgeben als dieses Gottvertrauen, damit sie Hoffnung haben. Eine Hoffnung, die weiter reicht als in unser Leben hier.

Die an einen Himmel glaubt und mit Engeln rechnet - Engel, die schwere Steine wegwälzen und an offenen Gräbern sitzen.

Pfarrerin Beate Schneider, Freiberg a.N.