Ev. Kirche Freiberg a.N.

Musikalische Entgrenzung - Konzert zum Ewigkeitssonntag 2022

Zu einer packenden musikalischen Zeitreise wurde das Konzert des Chores der evangelischen Kirchengemeinde Freiberg, welches am Ewigkeitssonntag das Ende des Kirchenjahres feierte. Ins Zentrum des Abends hatte Kantorin Michaela Hartmann-Trummer die 2013 entstandene „Missa festiva“ des amerikanischen Komponisten John Leavitt gestellt. Während Kyrie und Agnus Dei voll lyrisch fließender Kantilenen gepaart mit feiner Harmonik einen zauberhaften Pop-Balladen-Ton mit Anleihen an Filmmusik aus Hollywood im Kirchenraum aufblühen ließen, begeisterten Gloria und Sanctus-Benedictus als rhythmisch betonte Sätze mit sich überlagernden Strukturen und jubelnden Wechselchören im anspruchsvollen Satz. Die Sängerinnen und Sänger sangen klangschön und sauber, leidenschaftlich und überzeugten auf ganzer Linie. Diese erfreuliche Entwicklung verdankt der Chor zweifellos der kontinuierlichen und kompetenten Aufbauarbeit der Kantorin Michaela Hartmann-Trummer: Sie leitete gewohnt sicher, engagiert und umsichtig und wurde von Enrico Trummer am Piano virtuos und aufmerksam begleitet.

Als quasi-Brückenglied in die Mittelalter-Ebenen hatte die Kantorin das Credo dieser Messe gestellt: Mit Glockenmotiven und bekennenden Glaubenssätzen, schwebend meditativ, basierend auf gregorianischen Hymnen im Zentrum der Leavitt’schen Messvertonung -abwechslungsreich und überraschend - war so der Mittelalter-Teil des Programms eröffnet. Sänger und Sängerinnen betraten den musikalischen Pfad der Pilger auf den Berg Montserrat, instrumental bereichert durch Trommeln und Zimbeln, Flöte (Ute Fischer) und glockigem Piano. Die archaisch fremdartigen Lieder des Llibre Vermell (1399) zogen alle intensiv in ihren Bann, minimalistisch und Mantra-artig kreiselnd oder tänzerisch bewegt, in fast schon ekstatischer Anbetung!

 

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Einen Hauch von zeitgenössischen Klängen bescherten dann die Beiträge von Friedemann Dähn und Bernd Settelmeyer: Mit sphärischen und barbaresken Improvisationen und Kompositionen banden sie modernste Klangquellen in ihren Vortrag ein und zogen das staunende Publikum in ihren Bann: Mit elektronischem Cello und Klangmodulatoren, einer reichen Palette ungewöhnlicher Percussion-Instrumente dehnten sie den musikalischen Kosmos in Gegenwart und Zukunft aus und sorgten so für musikalische Zuspitzung und Entgrenzung. Dähn überzeugte darüber hinaus mit der maurisch anmutenden, bisweilen jazzigen „Al Hambra“ als veritabler Komponist. 

Ungewohnte Klänge zum Ewigkeitssonntag? Der begeisterte Beifall in der sehr gut gefüllten Amanduskirche bestätigte die fantasievolle Konzeption des Abends. „Also, so etwas Tolles gab’s in Freiberg ja noch nie!“ hörte man Besucher hinterher staunend rufen. Das Publikum war sprachlos und regelrecht aus dem Häuschen. Man hatte sich aus der Reserve locken lassen, Zeit und Raum vergessen und sich vom musikalischen Geschehen treiben und mitreißen lassen.

Mit der hauptamtlichen Kantorin Michaela Hartmann-Trummer erreicht die Freiberger Kirchenmusik ein neues Niveau. Chapeau!