Ev. Kirche Freiberg a.N.

Vortrag beim Ökumenischen Zukunftsforum 2014

Ökum. AK Asyl Ludwigsburg – Zukunftsforum 22.11.2014 LB, Friedenskirche

1. Die unabdingbare Selbstverständlichkeit der Ökumene 

„Man sollte heute nicht mehr die Frage stellen, warum man eine Sache etwa ökumenisch angehen könnte, sondern man sollte sich bei allen kirchlichen Aufgaben fragen, warum man sie denn nicht längst ökumenisch macht“ so sagte der emeritierte Tübinger katholische Theologieprofessor Bernd Jochen Hilberath, der langjährige Nachfolger Hans Küngs als Leiter des Ökumeneinstituts, kürzlich bei seinem Vortrag anlässlich der Ökumenischen Woche in Freiberg. Da ging es ums Abendmahl, heute und hier spreche ich für das Menschenrecht Asyl und den Arbeitskreis, der für dieses Menschenrecht eintritt. Und wir haben dabei im Ohr und sind geleitet von eben jener Frage, warum man es bei allen kirchlichen Aufgaben nicht längst schon ökumenisch macht. Wenn sie denn eine Wirkung, eine Überzeugung haben wollen vor der Welt. Denn was sollte auch dagegen sprechen, was könnten denn Fronten sein, die Christen voneinander trennen, wenn es um den Auftrag der Liebe Gottes zu allen Menschen geht. Sich an dieser Stelle voneinander fernzuhalten wäre gleichbedeutend mit der Preisgabe des ureigenen biblischen Auftrags. Denn wer seinen Bruder und seine Schwester nicht sieht bzw. mit ihnen uneins ist, der braucht gar nicht erst zum Altar zu gehen, sagt Jesus, und ohne eine solche Ökumene bräuchten wir uns auch nicht schmücken mit der Liebe zu den Fremden.

Also muss ökumenisch gegründet sein, was wir im AK Asyl tun.
Ökumenisch aber nicht nur im Sinne von Konfessionalität, sondern im Wortsinn: das ganze Haus oder besser: den ganzen Weltkreis betreffend. Weltumfassend, global denken, lokal handeln. Und das bedeutet:

Dieser Welt ein anderes Muster zeigen. Auf eine leise, aber bestimmte Weise protestieren gegen die alles dominierende Macht der Ökonomie. Erkennbar machen, dass es uns um ganz andere Werte geht als die, die unsere Zeit ungebremst regieren. Erst vorgestern hörte ich im Radio davon, dass manche Menschen darüber besorgt sind, dass die Einrichtung eines Asylbewerberheims in einem Wohngebiet einen Wertverlust bedeute. Und zwar für die Häuser jenes Wohngebietes. Und eine Frau sagte sehr höflich: Sie wolle sich mit ihrer Bürgerinitiative gegen diese Unterkunft nicht in die rechte Ecke stellen lassen. Denn solche Gedanken lägen ihr fern. Aber man müsse halt über den Wertverlust nachdenken, der mit solch einem Projekt einhergehe.

Hören wir den Begriff?  Wertverlust. Ich habe den Eindruck, dass die Länder der westlichen Welt gar nicht mehr wissen, welche Werte sie eigentlich zu schützen haben, was wirklich einen Wert hat. Als Christen erheben wir an dieser Stelle unsere Stimme und sagen: Das Geld ist es nicht. Es stellt keinen eigenen Wert dar, sondern raubt uns auf subtile Weise die Freiheit, die es doch eigentlich ermöglichen soll. Sondern es sind andere Dinge, die wir stärken und schützen: Zuwendung, Miteinander, Verständnis, Offenheit und Liebe.

Wenn wir heute also in der Asylarbeit ökumenisch denken und handeln wollen, dann müssen wir erst einmal verstehen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die von Ängsten regiert ist, die noch deutlich weniger ihr Vertrauen setzt auf einen rettenden Gott als es das Volk Israel getan hat, das lieber ums Goldene Kalb tanzte als auf des wahren Gottes Weisung zu warten. Der Götze ist eben nicht nur im Fußball sichtbarer als Gott….  und das erste Gebot ist das am meisten verletzte. Und dann ist es wie bei einem Mantel: wie man ihn auch weiter knüpft -  wenn man oben falsch angefangen hat, wird auch der Rest nichts mehr.

Wir tun also auch etwas für uns selbst, für unseren Glauben nämlich, wenn wir das eigene Herz auftun für die Fremdlinge, wie es schon im Alten Testament geboten ist, weil auch ihr, so heißt es, einst Fremdlinge wart in Ägyptenland. Weil jenes Unbeheimatetsein also eine Grunderfahrung alles menschlichen Lebens ist, darum gilt es in besonderer Weise sich um die Menschen zu kümmern, die diese Erfahrung gerade ganz konkret in ihrem eigenen Leben machen.

Kirche ist nur Kirche, wo sie für andere da ist. Wo sie sich nicht nur oberflächlich schmückt mit der Rede vom geringsten Bruder und der geringsten Schwester, sondern ihr Handeln am menschgewordenen Gott ausrichtet.